"Sollen wir so wie früher in unserer Kindheit eine Girlande mit silbernen Papierröschen an die Haustür hängen.", fragend blicke ich mein Schneiderlein an. Das erste Paar aus unserem engsten Freundeskreis (Ihr wisst schon - 14 kleine und große Freunde) feiert bald Silberhochzeit und hier bei uns am linken Niederrhein ist es früher Tradition gewesen die Haustür zum Hochzeitstag zu schmücken. "Das ist eine gute Idee!", meine Freundin grinst mich an. "Wollen wir bei uns im Garten die Röschen drehen und die Girlande winden?", frage ich weiter, "dann sage ich auch noch anderen Gästen Bescheid.".
Und da sitzen wir Frauen nun, während sich die Männer um das Holzgerüst kümmern, drehen wir in sorgfältiger Handarbeit eine Papierrose nach der anderen. Nicht immer sehen die fertigen Exemplare aus wie eine Rose, auch Nelken haben wir im Angebot und dennoch sind wir alle begeistert von unseren kleinen Kunstwerken. "Ich kann mich gut daran erinnern, wie es in meiner Kindheit vor so einer Feier war!", erkläre ich meinen Freundinnen, "Erst wurden die Röschengedreht und die Girlande gebunden, dann wurde die Haustür des Jubelpaares geschmückt, danach kam die eigentliche Feier und anschließend wurde auch wieder abgeschmückt!". "Und das alles wurde immer mit reichlich Alkohol begossen!", wirft mein Schneiderlein lachend ein, "Und bei einer weißen Hochzeit kam noch der Polterabend, die standesamliche und kirchliche Trauung dazu!". Ich lache auf: "Sechsmal kamen damals also alle zusammen. Unglaublich!". Eine andere liebe Freundin nickt zustimmend: "Daran kann ich mich auch noch erinnern. Allerdings gab es auch noch so eine Maschine mit einer Handkurbel, wo man die Krepppapierstreifen einlegen konnte und fast fertige Papierröschen herauskamen.". "So eine Maschine hat mein Papa auf'm Pütt* in seiner Werkstatt unter Tage** sogar selber gemacht.", erinnere ich mich lächelnd, "Schade, dass sie verloren gegangen ist!".
Das Röschendrehen zur Silberhochzeit wieder aufleben zu lassen, bedeutet, ein Stück wertvoller Tradition in die Gegenwart zurückzuholen. Gerade in einer Zeit, in der viele alte Bräuche langsam in Vergessenheit geraten, ist es umso wichtiger, solche Rituale für das Miteinander in der Gemeinschaft zu bewahren. Das Röschendrehen ist weit mehr als nur ein hübscher Schmuck am Haus: Es steht für Wertschätzung, Zusammenhalt und echte Freundschaft. Wenn gemeinsam Papierrosen gedreht, die Girlande gebunden und gestaltet wird, entsteht nicht nur ein schönes Geschenk für das Jubelpaar, sondern auch ein Gefühl von inniger Verbundenheit. Es sind diese besonderen Momente, in denen Freunde zusammenkommen, Geschichten austauschen, Erinnerungen teilen und gemeinsam etwas schaffen, das selbst zur Erinnerung wird - nur schade, dass das Jubelpaar nicht dabei sein kann, sonst wäre es ja keine Überraschung.
*Pütt - niederrheinische Bergmannssprache - Bergwerk, Schacht, Grube
**unter Tage - niederrheinische Bergmannssprache: unterhalb der Erdoberfläche, im Bergwerk