Es ist 17.00 Uhr am Heiligenabend und mein Göttergatte, unsere beiden Söhne und ich sitzen etwas verloren auf unserem Lieblingsplatz auf der Empore in der evangelischen Kirche unserer Gemeinde. Die Kirche war vor der Pandemie zu diesem Termin immer voll besetzt, doch heute sind einige Plätze leergeblieben. Aber nicht nur wir wirken etwas verloren, sondern auch die mir völlig unbekannte Pastorin. Nervös flattern die weiten Ärmel ihres Talars und immer wieder versucht sie vergeblich Blickkontakt mit der mir ebenfalls unbekannten Orgelspielerin aufzunehmen. Unser Pastor sei an einer Kehlkopfentzündung erkrankt, teilt sie uns mit und auch der Küster sei erst gestern notärztlich ins Krankenhaus gekommen. Ausgerechnet an Weihnachten resümiert sie traurig. Doch bevor sie weiter ausholen kann, beginnt die Dame an der Orgel mit dem ersten Lied. Mit lauter Stimme bittet nun die Pastorin noch für einen Moment mit dem Orgelspiel innezuhalten, denn auch das Mikrofon gibt just in diesem Moment den Geist auf. Neben mir kichert eine junge Frau leise auf und beschließt doch noch ihr Handy wegzuräumen. Ich schließe für einen Moment meine Augen und versuche selbst zur Ruhe zu kommen. Na, das wird ja ein Weihnachtsgottesdienst werden, denke ich nur für mich und seufze innerlich leise. Dann beginnt wieder das Orgelspiel und anscheinend hat es die gute Frau an der Orgel doch eilig, denn sie galoppiert mit uns durch "Ihr Kinderlein kommet", dass es fast unmöglich ist, Schritt zu halten. Mit einem gemeinsamen Gebet und einer innigen Andacht versucht nun die Pastorin die Menschen mitzunehmen, doch immer wieder fällt eine, der am Eingang ausgegebenen, Stumpen-Kerzen zu Boden, welches sie jedes Mal mit einem nervösen Blick quittiert. Der angekündigte Flötenkreis erscheint auch nicht, stattdessen trällert
Hermann van Veen vom Band und die Familie neben uns, zu der auch die junge Frau mit dem Smartphone gehört, überlegt nicht wirklich leise, ob sie vielleicht gehen sollen. Während die Oma eines Freundes meines Ältesten gekonnt aus 'Lukas' liest, wird es in der Kirche andächtiger, doch als abermals ein Lied von Herrn van Veen statt des Flötenkreises ertönt, ist meine Weihnachtslaune dahin. Noch nicht einmal der Ansprache kann ich konzentriert folgen und bei "Gloria in excelsis Deo" versagt immer wieder meine Stimme. Doch dann bittet die Pastorin nochmal um Aufmerksamkeit. Unsere Kerzen sollen mit dem Weihnachtslicht entzündet werden und nach und nach leuchten die Kerzen in den Händen der Kirchgänger. Das Licht der Kirche wird gedämmt und gemeinsam singen wir tatsächlich im richtigen Takt der Orgelspielerin "O du fröhliche". Nun wird mir doch noch ganz weihnachtlich zu Mute und mit dem Segen der Pastorin, kann für mich und meine Lieben Weihnachten beginnen.
Die ausgesuchten Fotos zeigen nicht die Kirche des Geschehens, sondern unser altehrwürdiges Kloster. Die Innenaufnahmen habe ich nach dem Gottesdienst der diesjährigen Friedenslicht-Übergabe in der Klosterkirche machen dürfen.