Gläserne Hochzeit

Ich stehe in der Küche und blicke schon ganz hibbelig auf unsere Küchenuhr, noch eine Stunde bevor die Gäste kommen. Vierzig Personen sollen heute zu Besuch kommen. Ein kleines Lächeln huscht über mein Gesicht, denn liebe Freunde von uns haben schon heimlich ganz früh am Morgen eine kleine ganz wunderbare Kiste vor unserer Haustür abgestellt. "Mama, kommst du mal gucken? Ich bin fertig!", mein Großer kommt die Hoftreppe hinauf gesprungen, immer zwei Stufen auf einmal. Ich lege mein Kuchenmesser weg und gehe ihm entgegen. Es hat gerade aufgehört zu regnen und die Luft riecht einfach wunderbar frisch. Eine kleine Prise Strohduft mischt sich, je näher wir zum Partyzelt kommen, dazu. Mein Göttergatte legt gerade den letzen Holzbalken auf die Strohumrandung des Zeltes, "Na, Ihr beiden?! Alles gut?!". Mein Großer nickt und guckt mich erwartungsvoll an: "Und gefällt es dir?". "Es schaut einfach klasse aus, Großer!", ich blicke lächelnd über die hübsch eingedeckten Tische. Mein Großer hat ganze Arbeit geleistet. Auf den Tischen liegt mittig ein Läufer aus Sackleinen, alle gesammelten Kastanien, Maronen, Maiskolben und Zierkürbise sind darauf liebevoll verteilt und auch die Kerzen stehen in der Mitte eines jeden Tisches. Ich nehme einen Stapel Wolldecken von einer Bank und verteile sie auf alle Bänke. Doch noch bevor ich die letze Wolldecke weglegen kann, hört man aufgeregte Stimmen vor dem Hoftor. Unsere Hündin Julie läuft schwanzwedelnd ihnen entgegen und auch mein Kleiner kommt aus dem hinteren Teil des Gartens geflitzt. "Nanu?", überrascht blicke ich meinen Göttergatten an und wir beide eilen nach vorne, "Wer kommt denn da schon?!". Lachende Gesichter blicken uns an: "Überraschung!". Vor Rührung schiesen mir direkt die Tränen in die Augen. Unsere ältesten Freunde stehen gemeinsam mit ihren Kindern vor uns. In den Händen halten sie einen zwei Meter langen Ast, an dem scheinbar hunderte kleiner Glasfläschchen befestigt sind. Eine kleine Zeichnung, auf dem mein Göttergatte und ich zu sehen sind, vervollständigt das Ganze. "Alles Liebe zum Hochzeitstag!" rufen beide Familien fast gleichzeitig aus. "Ich fasse es nicht! Wie schön ist das denn?!", mein Göttergatte und ich umarmen jeden Einzelnen. Während unsere Freunde einen Platz für das hübsche gläserne Mobile suchen, holen mein Göttergatte und ich die Großeltern ab. Dann geht es Schlag auf Schlag. Immer wieder bimmelt die Glocke am Hoftor, Fahrräder werden lachend abgestellt und liebe Gäste trudeln ein. Ganz besonders freue ich mich über den Anblick meiner Nichte und Neffen. Meine Lieben sind extra aus Tübingen und aus Braunschweig angereist. Wir sehen uns einfach viel zu selten. Fröhliches Stimmengewirr erfüllt den Garten und ich plaudere mich vergnügt von einem Gast zum anderen. Meinem Göttergatten geht es ähnlich, doch immer wieder treffen sich unsere Blicke und mir wird ganz warm ums Herz. Die Atmosphäre wirkt wunderbar heimelig. Über dem Lagerfeuer hängt ein großer Hordentopf mit "Chili sin carne", auf dem Grill bruzelt es vor sich hin und ein gut gefülltes Kuchen- und Brotbuffet mit diversen Aufstrichen laden zum Zugreifen ein. Dann plötzlich steht mein Göttergatte in der Mitte des Zeltes und während wieder feine Regentropfen auf das Dach tropfen, bedankt er sich mit warmen Worten bei unseren Gästen und begrüßt sie herzlich. Mittlerweile stehe ich an seiner Seite und er zieht lächelnd einen üppigen Blumenstrauß hinter seinem Rücken hervor. "Hachz.. !!". Seine Worte richten sich jetzt nur an mich und ich schmelze dahin. 15 Jahre Eheleben und mir werden immer noch die Knie weich. 

Meine Sonntagsfreude = unser Hochzeitstag!