In diesem Jahr blickt meine Heimatstadt auf 900 Jahr Kulturgeschichte zurück. Denn im Jahr 1123 wurde der Grundstein für unser altehrwürdiges Kloster Kamp gelegt (>hier<). Doch da oft die Frauen in der Geschichte übersehen werden, berichte ich heute von einer Gemeinschaft, die auch innerhalb unseres Stadtgebietes lag und somit nicht in unserer Heimatgeschichte übergangen werden sollte. Es handelt sich um das "Beginenkloster zu Kamp". Die Beginen (oder Beginnen, Beghinen) waren Jungfrauen oder Witwen, die ein gemeinsames Leben führten ohne ein Ordensgelübde abzulegen oder die Klausur auf sich zu nehmen. Nur für die Zeit, während der sie auf dem Beginenhof lebten, hatten sie sich zur Keuschheit sowie der Oberin und dem zuständigen Abtes zu verpflichten. Ohne Zustimmung des Abtes konnte niemand aufgenommen werden. Erst nach einem Probejahr konnten die Frauen das Versprechen ablegen, im Haus zu bleiben. Das mitgebrachte Vermögen ging in das Eigentum des Konvents über. War eine Schwester ungehorsam, konnte sie, ohne Ansprüche geltend machen zu können, aus der Gemeinschaft verwiesen werden. Die Beginen waren in ganz Europa verbreitet, allein in Deutschland gibt es noch in über 600 Städten Archiv-Materialien über Beginen. Die Anfänge des Beginentums lagen in den Alten Niederlanden (den heutigen Niederlanden, Belgien und dem linken Niederrhein). Wann und wo genau der Ursprung des Beginenkloster zu Kamp war, ist nicht mehr feststellbar, doch ein Bericht in der Kamper Chronik, der auf die Entstehung des Beginenklosters hindeutet, wurde im Jahre 1440 mit dem Hinweis versehen, dass die "Beghinen" damals bereits über 100 Jahre in Altfeld ansässig gewesen sind. Die Gründung des Klosters müsste demnach während der Amtszeit des Abtes Gottfried von Neuß zwischen den Jahren 1320 und 1341 erfolgt sein. Die Gebäude und Ländereien der Gemeinschaft befanden sich wahrscheinlich in der Nähe des früheren Janshof (Altfeldhof), also dort, wo der Fundamentationsplatz der Zisterzienser-Mönche laut mündliche Überlieferung (und auch schriftlich 1263 in der Kamper Chronik erwähnt ist) gewesen sein soll. Im Jahre 1440 verlegten die Beginen mit Zustimmung des Abtes Heinrich von Niephausen (1438 - 1452) ihren Konvent zu den gleichen Bedingungen auf den Hof Lomoelen, (Cop. 6/H.A.D. 542 Lomoelen / bona apud lomulenan) an der alten Rheudter Straße, zwischen dem Kamper- und dem Dachsberg gelegen. Wie der Name "Lomoelen" (Lohmühle) schon erahnen lässt, gehörte zum Hof wohl auch eine Mühle, die zur Zerkleinerung der für die Lohgerberei notwendigen pflanzlichen Gerbmittel diente. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die frommen Schwestern dieser Aufgabe nachkamen. Hinzu kamen regelmäßige Gebete, sowie die Krankenpflege, das Führen des Hofes und des Haushaltes und Handarbeiten für die Mönche oben im Kloster. Der Hof wurde zu einem Konventsgebäude ausgebaut und erhielt eine Kapelle, zu Ehren der Gottesmutter Maria, deren Altar am 25. August 1451 eingeweiht wurde. So hieß in der hiesigen Bevölkerung der Kamper Beginenhof auch später "Marienhöfken". Den Beginenhof sicherten Mauern, Gräben und sogar eine Zugbrücke, die über der "Issumer Fleuth" (>hier<) lag. Ein breiter Weg verband den Konvent mit dem Kamper Berg, doch fiel er dem Bau der "Fossa Eugeniania" (>hier<) zum Opfer. Jenem Kanal zwischen Rhein und Maas, der ab 1626 von den spanischen Habsburgern angelegt wurde, um die niederländischen Provinzen vom Rheinhandel abzuschneiden. Im 15. Jahrhundert sollen 40 Schwestern im Beginenkonvent gelebt und für das Kloster gearbeitet haben. Als der Truchsessische Krieg zwischen 1583 bis 1588 die Ortschaft Kamp mit Plünderungen erreichte, verließen die Beginen ihr Konvent "Marienhöfken" und die Zisterzienser-Mönche das Kloster Kamp. Allerdings kehrten die frommen Schwestern nicht mehr zurück und so wurden 1667 die gesamten Ländereien von der preußischen Regierung als Domänengut erklärt. Die Mühle zusammen mit dem sogenannten "Beginenhaus" wurden verpachtet. Der letzte Besitzer, der bekannte Augenarzt Dr. Albert Mooren aus Oedt, stiftete am 01. Mai 1884 den ca. 30 Hektar (!) großen Beginenhof dem bischöflichen Stuhl zu Münster zur Gründung einer katholischen Pfarrstelle auf der Bönninghardt. Die Pfarrei Bönninghardt wurde am 24. März 1901 errichtet. Heute ist von dem Beginenkloster "Marienhöfken" nichts mehr zu sehen. Dort wo es gestanden hat, fließt jetzt die "Issumer Fleuth". Doch, wer weiß, vielleicht liegen in ihrem Bachbett noch einige Artefakte, die noch gefunden werden wollen. Auch erinnern alte Flurbezeichnung an die Geschichte der Beginen am Fuße des Kamper Berges, da gibt es das "Benden an beginnes" (historische Flurbezeichnung im Rheinland für eine Feuchtwiese) und das "Beginnes Kamp" (eingehegtes Feld, Stück Land; Grasplatz bei einem Bauernhaus).
Verlinkt: "Unser Jahresprojekt" von Andrea, *Natur-Donnerstag* von Elke, "Mein Freund der Baum" von Astrid, "My corner of the world"
Quellennachweise:
Die Abtei Camp am Niederrhein -
Camper Chroniken, M. Dicks
"Die Abtei Kamp", Christophorus Verhalen (1967)
Frauen bewegen etwas -
Frauengeschichtskreis Kamp-Lintfort
Bilder (oben):
Standort des Beginenkloster an der Issumer Fleuth / Bild 1, 5, 9
Zugbrücke und breiter Weg / Bild 2, 4, 7
Benden an Begines / Bild 3, 6, 10
Beginnes Kamp / Bild 9
Issumer Fleuth / Bild: 1, 5, 6, 8
Bilder (unten):
Beginen bei der Hausarbeit / Bild 1
Camper Chronik / Bild 6
Siegel der Beginen / Bild 3 (Camper Chronik)
Preußische Kartenaufnahme 1836 - 1850 / Bild 2, 5
Amtliche Basiskarte, Liegenschaftskataster / Bild 4
Baumbestand an der Issumer-Fleuth:
Schwarz-Erlen, Kopfweiden, Eichen und Weiß-Pappeln (Stammumfang bis zu vier Meter!)
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Die Beginen kenne ich bis jetzt nur aus dem berühmten Beginenhof in Brügge. Das sie auch am Niederrhein waren, wusste ich nicht. Ein wunderschönes Portrait! So Geschichte direkt aus der Heimat finde ich immer sehr interessant und ich freue mich sehr, dass Du auch wieder beim Projekt von Andrea mitmachst!
AntwortenLöschenDazu diese wunderschoAufnahmen 😍
Ach, wer weiß, was alles noch an versteckten Artefakte unter der frostigen Erde schlummert. Eine verlorene Spindel, ein Knopf...
Hab eine schöne Woche und lganz iebe Grüße
Nina
(PS. Ich hab wohl Deine Adr verlegt 🫣)
Dass sich da jegliche Spur inzwischen verloren hat ( außer den schriftlichen Quellen )!
AntwortenLöschenIn Köln sind sie schon ein Jahrhundert vor dem Kampener Hof nachgewiesen und es gibt sogar jetzt eine Nachfolgeorganisation seit den 1990er Jahren. Aber wie alles, was Frauen und ihren Beitrag zur Gesellschaft betrifft, ist vieles im Dunkeln verschwunden und geblieben ist als touristische Attraktion das Haus in Brügge. Du weißt ja, dem gegenzusteuern, habe ich mir ja auch zur Aufgabe gemacht. ( Die Kölner Uni forscht natürlich richtig intensiv über diese frommen Frauen des Mittelalters ).
Deine Baumserie gefällt mir aber mindestens so gut und ich beneide dich um deine Nähe zu schöner Natur! Ist euer Küchenprojekt beendet?
❤️liche Grüße!
Astrid
Was für stimmungsvolle Fotos! Deinen Beitrag fand ich heute sehr spannend. Genau um die Ecke herum bei meinen Eltern befindet sich ein moderner Beginenhof.
AntwortenLöschenLiebe Grüße
Andrea
Ein Beginenkloster gab es hier bei uns auch? Was du alles herausfindest, Nicole. Super. Liebe Grüße Susanne
AntwortenLöschenSehr fein, wieder von Dir zu lesen, liebe Nicole!
AntwortenLöschenUnd dazu gleich ein toller Bericht über Beginen, deren Begriff mir erst seit geraumer Zeit - eben - ein Begriff ist!
Dafür ist es jetzt umso interessanter, über sie zu lesen.
Wunderschöne Naturgrüße hast Du uns auch hiergelassen,
zu keiner Zeit kehrt mehr Ruhe ein als in diesen kalten Wochen! Damit kann ich ganz viel anfangen, und man kann sich ja gegen die Kälte wappnen!
Herzliche Grüße,
C Stern
Schon krass, dass es gar keine Überreste des Konvents mehr gibt.
AntwortenLöschenWo doch das von Männern geführte Kloster 900 Jahre überdauert hat.
GLG, Karin
Danke für die schönen Fotos, liebe Nicole, und natürlich auch für die ausführlichen Informationen zum Beginen-Kloster. Ich habe einige Romane gelesen, die sich um Beginen drehten. An die Titel kann ich mich leider nicht mehr erinnern.
AntwortenLöschenGeht es euch allen wieder gut?
Herzliche Grüße - Elke
Nicole, ich bin total fasziniert von deinem Bericht! Das alles ist mit total neu und das, wo ich mich doch wirklich sehr gerne mit der Historie meiner Heimatstadt auseinander setze! Vielen Dank für die Informationen und den tollen Bericht!
AntwortenLöschenErst gerade habe ich einen Roman über die Beginen gelesen und nun erklärst Du mir die Damen gab es auch bei uns. Das nenne ich eine Entdeckung. Liebe Grüße aus der Nachbarschaft, Beate.
AntwortenLöschenToll, dieser Bericht mit Angaben der Literaturquellen. Schon lange habe ich mich mit der Geschichte von Beginenhöfen beschäftigt. Trotzdem wusste ich nicht, dass sie hier in unserer Stadt gelebt haben. Danke für die Darstellung!
AntwortenLöschenEin wirklich sehr interessanter Bericht, ich mag Geschichte und ganz besonders auch die Lokale. Und Deine Bilder sind sehr beeindruckend, die könnten so auch aus einem Fotoband sein.
AntwortenLöschenIch wünsche Dir einen schönen Sonntag.
Viele liebe Grüße
Wolfgang
ein sehr spannender beitrag, liebe nicole! ich hatte zwar schon von den beginen gehört, mich aber nie genauer damit beschäftigt. das wird sich jetzt ändern. auch in braunschweig gab es beginen und es gibt sogar ein ganzes buch darüber, das ich mir demnächst aus der bücherei holen werde.
AntwortenLöschensehr ärgerlich übrigens, dass dein beitrag geklaut wurde!!
liebe grüße
mano
Gut, dass du im neueren Beitrag den Link zu diesem Beitrag eingefügt hast, sonst hätte ich diesen tollen Artikel glatt verpasst. Sehr spannend. Und ich habe bei den wenigen historischen Ortsanalysen, bei denen ich vor Jahren mitarbeiten konnte, gelernt, wieviel man aus alten Katastern und Flurkarten herauslesen kann, wenn man nur genauer schaut und ein bisschen Ahnung hat. So wie auch hier bei dir. Gerne mehr davon :)
AntwortenLöschenLG heike