Donnerstag, 10. Februar 2022

Heimatgeschichte(n) - Die Plaggenhütten in der Bönninghardt

Heute nehme ich Euch mit in die Bönninghardt, sie ist ein kiesiger und sandiger Abschnitt des als eiszeitliche Endmoräne entstandenen Niederrheinischen Höhenzuges und beginnt nord-östlich nach dem schönen "Naherholungsgebiet Leucht". Dort wollen wir uns das kleinste Museum der Gegend anschauen und zwar "Die Plaggenhütte". Ihr möchtet wissen, was eigentlich eine Plaggenhütte ist? Also, eine Plaggenhütte ist sozusagen ein Grassodenhaus, deren Wände und Dacheindeckung statt aus aufgestapelten Grassoden aus ausgestochenen und getrockneten Torf- oder Heide-Oberboden-Stücken, den sogenannten Plaggen, errichten wird. In der Bönninghardt, die damals nur aus Heide, Ginster und Nadelbaumwälder bestand, waren es nun Plaggenhütten aus Heide, die von Mitte bis Ende des 1800 Jahrhundert einer gestrandeten kurpfälzische Aussiedlergruppe Obdacht gaben. Wie es dazu kam, möchtet Ihr wissen? Missernten, steigende Bevölkerungszahlen, drückende Abgaben und nicht zuletzt die Verwüstungen im pfälzischen Erbfolgekrieg hatten die Menschen aus der Gegend von Simmern, Bad Kreuznach und Bingen in wirtschaftliche Nöte gebracht, weshalb sie jetzt ihr Glück an der amerikanischen Ostküste versuchen wollten. Doch war die Passage nach Amerika sehr teuer. Viele der Ausreisewilligen konnten sich einen gültigen Überfahrtskontrakt nicht leisten und schon bald ließen die niederländischen Einreisebehörden in Schenkenschanz die mutigen Pfälzer ohne gültigen Überfahrtskontrakt nicht mehr in das Land. Über die Gocher Heide kamen die bönninghardter Pfälzer 1772 zunächst nach Sonsbeck. Auf Anordnung der preußischen Regierung musste sich Sonsbeck um die pfälzischen Siedler kümmern. Finanziell konnten sie nicht helfen, aber per Erbpachtvertrag erhielt jeder Siedler in der Bönninghardt ein Stück Land, welches sie 15 Jahre lang kostenlos nutzen durften. Die einzige Auflage war, dass die Siedler das Land urbar machen und darauf ein Haus auf eigene Kosten bauen sollten. Da die Siedler mit leeren Händen in die Bönninghardt kamen, behalfen sich die Pfälzer mit einem Unterschlupf aus dem eigentlich verbotenen Holz aus dem Wald und den Heideplaggen der Umgebung. So entstanden eben die sogenannten Plaggenhütten. Doch die Flora und Fauna der Bönninghardt bot zu wenig zum Leben und auch fließend Wasser war Mangelware. Es gab zwar drei zisternenartige Wasserstellen in der weiteren Umgebung doch war die Beschaffung des Wassers so mühselig, dass man es nur zum Trinken und Kochen benutzte. Die Kolonisten verlotterten zusehends und wurden von der bereits ansässigen spärlichen Bevölkerung gemieden. Nur mit dem Binden und dem Verkauf von Besen aus Ginster, Birkenreisig und Heide konnten sie sich ein doch recht armseliges Auskommen sichern. Doch das ist eine andere Geschichte. Die letzte Plaggenhütte wurde übrigens 1886 abgerissen, als die letzte Bewohnerin der Plaggenhütten Frau Agnes Schröder, geb. Balzen, genannt „Focken-Agnes“ verstarb. 

Ich hoffe mein kleiner Ausflug in die Vergangenheit meiner niederrheinischen Heimat hat Euch gefallen. Denn in diesem Jahr gibt es hier bei mir, statt eines Kalenders, monatlich Geschichten, Sagen und Legenden rund um meine schöne Heimatstadt. Und Andrea? Wie findest Du meine Idee?





Verlinkt: "Unser Jahresprojekt" von Andrea, "Winterglück" von Loretta und Wolfgang, *Natur-Donnerstag* von Elke

19 Kommentare:

  1. Oh, dass ist ja ein ganz wunderbares Projekt und ein wunderbarer Beitrag!
    Wenn man so etwas liest, welche Nöte Menschen hätten, womit sie sich bescheiden müssten, wie so Hütten entstanden sind...
    Vielen Dank und ich freu mich auf mehr so wunderschöne Beiträge.
    Ganz liebe Grüße
    Nina

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  2. Das ist eine wirklich tolle Idee. Da werden wir allmonatlich den nächsten Beitrag mit Spannung erwarten. Das war aber ein arg karges Los, was die Pfälzer dort erwartete. Bleibt zu hoffen, dass es für viele noch ein Absprungbrett in eine schönere Zukunft war. "Plaggen" ist für mich ein Begriff, den ich aus der alten Heimat mit ins Süddeutsche genommen habe ;-)
    Liebe Grüße
    Andrea

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  3. Liebe Nicole, das ist ein ganz toller Beitrag. In der Bönninghardt bin ich schon mit meinen Eltern spazieren gegangen. Der Niederrhein ist geschichtlich unheimlich spannend.
    LG
    Magdalena

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  4. Das ist ja eine unglaublich spannende Geschichte, davon hatte ich noch nie etwas gehört. Es gab schon sehr schlechte Zeiten hier bei uns in Deutschland, da wundert man sich nicht, dass die Menschen ihr Glück woanders suchen wollten. In der Schule lernten wir ein Gedicht, es hieß Die "Auswanderer" da wurde die Situation der armen Leute sehr anschaulich beschrieben, leider kenn ich den Autor nicht mehr.
    Liebe Grüße
    Edith

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    1. Ich habe das Gedicht gefunden, liebe Edith. Dankeschön! Ich werde es unter deinen nächsten Kommentar setzen. Schön, dass Du bist. Herzlichst Nicole

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  5. Ich nochmal, ich habe den Dichter zu dem Gedicht" Die Auswanderer" gefunden, Ferdinand Freiligrath, klicks mal an, sehr interessant.
    Grüßle
    Edith

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    1. Ferdinand Freiligrath

      Die Auswanderer
      Ich kann den Blick nicht von euch wenden;
      Ich muß euch anschaun immerdar:
      Wie reicht ihr mit geschäft'gen Händen
      Dem Schiffer eure Habe dar!

      Ihr Männer, die ihr von dem Nacken
      Die Körbe langt, mit Brot beschwert,
      Das ihr aus deutschem Korn gebacken,
      Geröstet habt auf deutschem Herd;

      Und ihr, im Schmuck der langen Zöpfe,
      Ihr Schwarzwaldmädchen, braun und schlank,
      Wie sorgsam stellt ihr Krüg' und Töpfe
      Auf der Schaluppe grüne Bank!

      Das sind dieselben Töpf' und Krüge,
      Oft an der Heimat Born gefüllt!
      Wenn am Missouri alles schwiege,
      Sie malten euch der Heimat Bild:

      Des Dorfes steingefaßte Quelle,
      Zu der ihr schöpfend euch gebückt,
      Des Herdes traute Feuerstelle,
      Das Wandgesims, das sie geschmückt

      Bald zieren sie im fernen Westen
      Des leichten Bretterhauses Wand;
      Bald reicht sie müden braunen Gästen,
      Voll frischen Trunkes, eure Hand.

      Es trinkt daraus der Tscherokese,
      Ermattet, von der Jagd bestaubt;
      Nicht mehr von deutscher Rebenlese
      Tragt ihr sie heim, mit Grün belaubt.

      O sprecht! warum zogt ihr von dannen?
      Das Neckartal hat Wein und Korn;
      Der Schwarzwald steht voll finstrer Tannen,
      Im Spessart klingt des Älplers Horn.

      Wie wird es in den fremden Wäldern
      Euch nach der Heimatberge Grün,
      Nach Deutschlands gelben Weizenfeldern,
      Nach seinen Rebenhügeln ziehn!

      Wie wird das Bild der alten Tage
      Durch eure Träume glänzend wehn!
      Gleich einer stillen, frommen Sage
      Wird es euch vor der Seele stehn.

      Der Bootsmann winkt! – Zieht hin in Frieden:
      Gott schütz' euch, Mann und Weib und Greis!
      Sei Freude eurer Brust beschieden,
      Und euren Feldern Reis und Mais!

      Aus „Gedichte“, 1838

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  6. Fasziniert gelesen ( Sonsbeck kenn ich recht gut )! Ich komme ja auch aus so einer südwestdeutschen Auswanderergegend, was im Freilichtmuseum inzwischen gut dokumentiert ist. Geschichte von unten wird leider nach wie vor in der Schule so gut wie nicht gelehrt. Umso schöner, wenn es solch kleinere Initiativen gibt.
    Mach et joot!
    Astrid

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  7. Ja, da bin ich auch gespannt. Hier sieht man mal wie es früher so war, das war aber sicherlich in allen Gegenden so. Die Menschen haben nur geschafft und Freitzeit oder gar Urlaub, war ein Fremdwort.
    Ja, da geht es uns doch heute gut.
    Urlaub, Urlaub!

    Einen schönen Abend wünscht dir Eva

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  8. Auch eine schöne Idee liebe Nicole,
    uns Deine Heimat näher zu bringen.
    die Pfälzer kommen ja hier aus der Nähe und sind also bis zu Euch gekommen...
    Dir einen schönen Abend, lieben Gruß
    Nicole

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  9. Liebe Nicole,
    also nicht, dass ich Geschichten, Sagen und Legenden nicht mögen würde, aber deine besondere Art den Monat zu begrüßen hatte ich geliebt! Schade, dass es damit vorbei ist.
    Herzliche
    Claudiagrüße

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  10. Liebe Nicole,
    das hat mir sehr gut gefallen und ich habe viel gelernt. Die Geschichte war mir gänzlich unbekannt, nur die "drückende Abgaben" kamen mir bekannt vor ;-)
    Tolle Idee, ich freue mich auf die nächsten Geschichten.
    Und wünsche Dir ein schönes Wochenende.

    Viele liebe Grüße
    Wolfgang

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  11. Sehr gerne, liebe Aiste, und herzlich willkommen hier bei mir. Herzlichst, Nicole

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  12. Wie schön und spannend liebe Nicole, das wusste ich nicht und habe es mit sehr viel Interesse gelesen. Ja, ich freue mich auf mehr, wir begleiten Dich gerne♥

    Herzliche Wochenendgrüße
    Kerstin und Helga

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  13. These are beautiful photos.
    Have a nice day!

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  14. Sieht toll aus, würde ich mir auch gern mal anschauen. LG Romy

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♥ Danke, dass Du Dir für ein paar liebe Worte Zeit nimmst ♥

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