Sonntag, 23. Februar 2014

Das Weidenkätzchen

Kätzchen, ihr, der Weide,
wie aus grauer Seide,
wie aus grauem Samt!

O ihr Silberkätzchen,
sagt mir doch ihr Schätzchen,
sagt, woher ihr stammt!

“Wollen´s gern dir sagen:
Wir sind ausgeschlagen
aus dem Weidenbaum;
haben winterüber
drin geschlafen, Lieber,
in tiefiefem Traum.”

In dem dürren Baume,
in tieftiefen Traume
habt geschlafen ihr?
In dem Holz, dem harten,
war, ihr weichen, zarten,
euer Nachtquartier?

“Mußt dich recht besinnen:
Was da träumte drinnen,
waren wir noch nicht,
wie wir jetzt im Kleide
blühn von Samt und Seide
hell im Sonnenlicht.

Nur als wir Gedanken
lagen wir im schlanken
grauen Baumgeäst;
unsichtbare Geister,
die der Weltbaumeister
dort verweilen läßt.”

Kätzchen, ihr, der Weide,
wie aus grauer Seide,
wie aus grauem Samt!
O ihr Silberkätzchen,
ja, nun weiß, ihr Schätzchen,
ich, woher ihr stammt!

(Christian Morgenstern)

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